Europäische WoodWisdom-Forschungsprojekte zeigen Marktpotenziale für neue Werkstoffe auf

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FNR/IHB, Foto: MPA Universität Stuttgart
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Insgesamt 23 europäische Forschungsverbünde wurden im Rahmen des 4. Forschungs-Aufrufs des europäischen FuE-Netzwerkes WoodWisdom-Net+ gefördert. Nun liegen bei allen Projekten die Abschlussberichte vor. Bei einer Reihe der Vorhaben zeichnen sich interessante Marktpotenziale ab, wie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe FNR meldet.

Für die 19 Verbünde mit deutscher Beteiligung hatte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Mittel aus dem Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe bereitgestellt. Sämtliche im 4. Aufruf geförderten Projekte sind auf www.woodwisdom.net zu finden. Hier die Schwerpunkte und Ergebnisse ausgewählter Projekte:

Aerogele

Das Zellgerüst verholzter Pflanzen besteht aus Cellulosen, Hemicellulosen und Lignin. Ziel im Projekt Aerowood war es, aus den Hemicellulosen sogenannte Aerogele herzustellen – sehr leichte, hochporöse Materialien mit hervorragenden wärmeisolierenden Eigenschaften bei gleichzeitig hoher mechanischer Stabilität. Die Vorteile des Rohstoffs Hemicellulosen: Er ist in großen Mengen vorhanden, steht nicht in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion und wird bisher wenig genutzt.

„Im Projekt gelang es erstmals, Aerogele auf Holzbasis herzustellen: Aero-, Cryo- und Xerogele wurden aus Pappelholz erzeugt und untersucht. Die Ergebnisse sind noch nicht marktreif, aber sehr vielversprechend. Wir verfolgen das Thema intensiv weiter. Durch die gute Umweltverträglichkeit und den geringen Sicherheitsaufwand bei dieser Synthesestrategie ist es denkbar, dass auch kleinere Firmen kleinere Volumina produzieren können. Marktpotenziale bestehen bei Dämmstoffen, Filtermaterialien oder Carbogelen“, schätzt Professor Bodo Saake vom Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg.

Nanocellulose

Nanozellulosefasern (NFC) aus Holz haben Durchmesser im Nanometer-Bereich und außergewöhnliche mechanische Werte, die sie für Verbundwerkstoffe interessant machen. Die homogene Verteilung der Fasern in einem Polymersystem ist jedoch komplex und bislang noch nicht ausreichend gelöst. Hier setzte das Projekt PRONANOCELL an. Das Forscherteam entwickelte neue Verfahren, um Leichtbau-Verbundwerkstoffe aus nanofibrillierter Zellulose und Polyolefinen wie PE und PP für den Automotiv- und Bausektor herzustellen. Das Fraunhofer ICT kümmerte sich innerhalb des Verbundes um die Herstellung eines NFC-PP-Granulates mittels Doppelschneckenextrusionsprozessen und dessen Weiterverarbeitung im Spritzgieß- und Schaumspritzgießprozess. Die Kooperation mit dem Kunststoff-Unternehmen A. Schulman stellte die industrielle Skalierbarkeit sicher. Als geeignete Prozesse zur Herstellung der NFC-Kompositen stellten sich das Wet-Wet-Comingling und der DEVO-Prozess heraus. Die Forscher erarbeiteten einen Process Guide mit allen relevanten Verarbeitungsparametern. Es zeigte sich, dass eine möglichst niedrige Schmelztemperatur bis maximal 200 °C und eine kurze Verweilzeit der Schmelze im Zylinder entscheidend sind, um eine thermische Schädigung der Fasern zu minimieren. Hohe Scherraten durch hohe Schneckendrehzahlen und Einspritzgeschwindigkeiten führen ebenfalls zur Faserschädigung bis hin zum Faserbruch und können deutlich verringerte Schlagzähigkeitskennwerte zur Folge haben. Beim Schäumen der PP-NFC-Kompositen mit chemischen Treibmitteln ließen sich Gewichtsreduktionen bis 5,8 Prozent erzielen. Auch hier sind die erforderlichen Verarbeitungsparameter im Process Guide beschrieben.

Hemicellulose-Bioraffinerie

Ein Konzept für eine ressourceneffiziente Bioraffinerie zur Umwandlung von Holz-Hemicellulosen in 2,3-Butandiol (BDO), Furfural und Maleinsäure hat das Thünen-Institut für Agrartechnologie (TI) mit Partnern im Projekt COSEPA entwickelt. BDO bzw. ein Produkt daraus kann fossile Lösemittel zur Herstellung von Farben und Beschichtungen ersetzen. Aus Furfural und Maleinsäure lassen sich Kunststoffe synthetisieren.

Die biotechnologische Herstellung von 2,3-BDO aus Glucose ist Stand der Technik. Die Forscher haben nun verschiedene vielversprechende neue Bakterienstämme identifiziert, die 2,3-BDO auch aus Hemicellulose erzeugen können. Insbesondere B. vallismortis erscheint aussichtsreich für eine industrielle Umsetzung.

Aus Xylose, einer aus Hemicellulose gewonnenen Zuckerart, konnten die Forscher außerdem erfolgreich Furfural im Labormaßstab herstellen. Furfural ist eine Vorstufe zur Produktion von Maleinsäure. Dank des neuartigen Extraktionsmittels Hexafluorisopropanol (HFIP) gelang es, die bislang üblichen Ausbeuten auf bis zu 100 Prozent zu verdoppeln, bei gleichzeitig niedrigerem Wärmebedarf. Für eine Maßstabsvergrößerung müsste ein Industriepartner mit ins Boot geholt werden, zudem wäre eine Ökobilanzierung mit Augenmerk auf die Frage der HFIP-Rückgewinnung erforderlich. Für den zweiten Reaktionsschritt von der Xylose zur Maleinsäure fanden die Forscher im Projekt kein effizientes Reaktionssystem. „Man kann jedoch das neue Verfahren zur Furfuralgewinnung mit der seit den 1930er Jahren bekannten katalytischen Gasphasenoxidation von Furfural kombinieren. Damit sind Maleinsäure-Ausbeuten von etwa 70 % aus Xylose möglich“, erklärt Projektleiter Ulf Prüße vom TI.

Holzrippenplatten

Holzrippenplatten sind ein ressourcenschonender Holzwerkstoff, der klassisches Brettsperrholz mit gezielt angeordneten, schlanken Voll- und Brettschichtholzrippen kombiniert. Die Platten haben ein robustes Tragverhalten bei vergleichsweise geringem Materialeinsatz, sind aufgrund ihrer aufwändigen Herstellung aber noch relativ teuer und daher – vor allem für Konfigurationen mit sehr schlanken Rippen – nur wenig verbreitet. Im Projekt HCLTP (Hybrid Cross Laminated Timber Plates) wurden nun die Grundzüge eines neuen effizienteren Herstellungsverfahrens entwickelt. Bislang klebt man die Rippen in einem separaten Herstellungsschritt auf vorproduzierte Brettsperrholzplatten auf. Nach dem neuen Ansatz werden die Rippen in einem Zug mit der Brettsperrholzherstellung durch Seitenverklebung in die oberste Brettsperrholzschicht integriert. Auf diese Weise ist es möglich, die Rippen besonders schlank zu dimensionieren. Entsprechende Platten wären für die Fassadendämmung zur Vermeidung von Wärmebrücken höchst interessant. Marktpotenziale bestehen außerdem im Bereich mittelgroßer Gebäude mit weiter gespannten Decken, zumal für einige Lastfälle Tragfähigkeitserhöhungen zwischen 20 und 40 % nachgewiesen werden konnten.

Das Maschinenbauunternehmen Ledinek aus Slowenien stellte den Prototyp einer für eine industrielle Umsetzung grundsätzlich geeigneten Produktionspresse her. Darauf im Praxismaßstab gefertigte Versuchsplatten wurden von der Universität Stuttgart geprüft. Diese führte parallel zu den experimentellen Untersuchungen auch umfangreiche Finite-Element-Simulationen zum Tragverhalten der Rippenplatten durch, wobei insbesondere die Lastumlagerung bei Schädigung einzelner Rippen im Vordergrund stand.

Die Forscher wiesen nach, dass der Rippenplattenaufbau mit speziellen  formaldehyd-freien 1K-PUR-Klebstoffen möglich ist: Das macht die neuen Platten auch unter gesundheitlichen und ökologischen Aspekten interessant. Insgesamt gelang es den Forschern, alle Voraussetzungen für eine auch baurechtlich abgesicherte Markteinführung zu schaffen.

Schall- und Schwingungsschutz im Holzbau

Im Bereich von Beton- und Stahlkonstruktionen erhältliche Berechnungstools für das Schall- und Schwingungsverhalten fehlen im Holzbau derzeit noch. Gleichzeitig sind die Massen von Holzbauteilen geringer als im Massivbau, was höhere Trittschallpegel und Schwingungsamplituden zur Folge haben kann. Daraus ergibt sich vor allem im mehrgeschossigen Wohnungsbau ein Markthemmnis für den Rohstoff Holz. Forscher des Fraunhofer Institutes für Bauphysik (IBP) und 13 weitere Partner arbeiteten im Projekt Silent Timber Build daran, dieses Hemmnis zu beseitigen. Sie entwickelten und validierten Berechnungsmodelle, gruppierten verschiedene europäische Deckenkonstruktionen bezüglich ihrer akustischer Eigenschaften und erweiterten die Datenbank www.lignumdata.ch um den Trittschallschutz von Holzdeckenkonstruktionen. Die Mitarbeiter des Fraunhofer IBP stellten umfangreiche Messdaten von sechs in Deutschland üblichen und optimierten Deckenkonstruktionen für die Validierung bereit. Außerdem entwickelten sie eine Auralisationsfunktion, mit der sich Trittschallwerte über das Internet anhören lassen.

Die Ergebnisse der Arbeiten deuten darauf hin, dass es aus akustischer Sicht deutlich effizienter ist, Holzbalkenkonstruktionen anstelle von Vollholzkonstruktionen zu verwenden, Decken können so leichter sein und dennoch bessere akustische Eigenschaften haben.

Holzschutzmittel

Kreosot ist ein hochwirksames Holzschutzmittel für Anwendungen mit Erdkontakt wie Bahnschwellen, Holzbrücken oder Holzfreileitungsmasten. Aufgrund karzinogener Inhaltsstoffe wird seine Verwendung jedoch durch europäische Gesetze zunehmend eingeschränkt. Das Forscherteam im Projekt CreoSub suchte nach Alternativen. Die Universität Göttingen widmete sich dabei dem Produkt Bahnschwellen. Industrieunternehmen stellten für diese Anwendung entwickelte, innovative, ölige Holzschutzmittelsysteme zur Verfügung, die in Labor und Freilandversuchen untersucht wurden und sich als geeignet erwiesen. Sie beeinflussten die Biegefestigkeit, das Biege-Elastizitätsmodul sowie die Bruchschlagarbeit nicht negativ und erfüllten die Grenzwerte für den elektrischen Widerstand.

Bahnschwellen werden seit Jahrzehnten mit Kreosot behandelt, sodass die momentan industriell umgesetzten Imprägnierprozesse auf dieses Schutzmittel abgestimmt sind. Neue Schutzmittelsysteme erfordern deshalb auch angepasste Imprägnierprozesse. Auch dieser Aufgabe widmeten sich die Forscher, außerdem untersuchten sie die Materialeigenschaften des imprägnierten Holzes. Die für Bahnschwellen aus Buchen- und Kiefernholz entwickelten Imprägnierprozesse sollen künftig industriell umgesetzt werden.

Laubholz-Brettschichtholz und hybrides Laubholz-Nadelholz-Brettsperrholz

Durch den Waldumbau steht zukünftig vermehrt Laubholz zur Verfügung, das bislang jedoch als Bauholz nur unwesentlich nachgefragt wird. Leistungsfähige, innovative, verklebte Laubholzprodukte oder kombinierte Laub-Nadelholzprodukte sowohl für den Innen- als auch den Außenbereich stellen vielversprechende Lösungen für dieses Problem dar. Im Projekt European Hardwoods entwickelte die Universität Stuttgart ein innovatives, nicht-lineares Modell zur Simulation des Biegetragverhaltens von Laubholz-Brettschichtholz. Der Vergleich mit Bauteilversuchen an Eiche-Brettschichtholz zeigte, dass das Modell die Bauteiltragfähigkeiten und die Skaleneffekte bei der Vergrößerung von Bauteilen sehr gut abbildet. Voraussetzung ist, dass die Zugfestigkeiten der Lamellen und der Keilzinkenverbindungen bekannt sind. Mit dem Simulationsmodell ist nun eine kostengünstigere und schnellere Alternative für die Markteinführung von lamellenbasierten, stabförmigen Laubholzprodukten verfügbar. Sie könnte die bislang üblichen umfangreichen experimentellen Prüfserien auf weniger aufwändige Verifizierungsversuche reduzieren. „Auch für die Aufnahme dieser Produkte in die bislang ausschließlich auf Nadelholz beschränkte europäische Brettschichtholznorm EN 14080 kann das Modell gute Dienste leisten“, ist sich Projektleiter Simon Aicher sicher.

Beim Brettsperrholz ist Buchenholz ist für die Querlagen prädestiniert, weil es im Vergleich zu Nadelholz wesentlich höhere Rollschubsteifigkeiten und –festigkeiten aufweist. In den an der Universität Stuttgart durchgeführten Materialversuchen wurden rund drei- bis siebenfach höhere Werte nachgewiesen. Zudem hatten beim Projektpartner Decker Holzindustrie hergestellte hybride Brettsperrholzplatten aus Fichten- und Buchenholz deutlich höhere Steifigkeiten und bei Scheibenbeanspruchung deutlich höhere Tragfähigkeiten als reine Nadelholz-Platten. „Im Brettsperrholz-Standard-Leistungsspektrum bis hin zum Top-Leistungssegment tun sich damit absehbar große neue Absatzmärkte für Buchenholz minderer bis guter Qualitäten auf“, so Aicher.

Das Foto zeigt Hybrid-Brettsperrholz im Rollschubversuch mit erstaunlichem Ergebnis: Die mittlere Querlage aus Buchenholz hatte quer zur Faserrichtung eine höhere Schubtragfähigkeit als die parallel zur Faserrichtung angeordneten Längslagen aus Fichtenholz. Normalerweise bricht die Querlage zuerst.

Parallel ermittelte die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden Württemberg über die nationalen Waldinventuren der Partnerländer von EU Hardwoods – Deutschland, Frankreich, Österreich und Slowenien – die aktuellen Laubholzpotenziale in diesen Ländern. Über Prognosemodelle schätzte sie außerdem das künftige Ressourcenaufkommen ab und charakterisierte verschiedene Laubhölzer technisch.

leanWOOD

Der moderne Holzbau zeichnet sich durch die standardisierte Produktion von Bauelementen in der Werkstatt mit einem hohen Vorfertigungsgrad und hoher Qualität aus. Dem gegenüber steht der heute übliche Ablauf von Bauprojekten mit den separierten Einzelschritten Planung, Ausschreibung, Vergabe und Ausführung vor Ort. Dieser Ablauf stellt ein großes Hemmnis für den vorgefertigten Holzbau dar, da die Kompetenz holzbaugerechter Planung in frühen Prozessphasen meist fehlt und es somit häufig zu zeitaufwendigen Umplanungen kommt. Idealerweise würde heute ein Holzbauprojekt produktionsgerecht von einem Team aus Architekten, Ingenieuren und Holzbauplanern von Anfang an gemeinsam geplant. Hier setzte das Vorhaben leanWOOD an. Das Hauptziel war die Entwicklung neuer Organisations- und Prozessmodelle für den vorgefertigten Holzbau vor dem Hintergrund innovativer Vergabe- und Kooperationsmodelle basierend auf den existierenden nationalen gesetzlichen Rahmenbedingungen. Zudem sollten Schnittstellen und Verantwortlichkeiten zwischen den am Planungsprozess beteiligten Fachleuten geklärt werden. „lean“ zielt dabei auf die „schlanke“ Abwicklung von Prozessen und die effiziente, effektive Koordination von Akteuren ab. In leanWOOD entwickelten die Forscher außerdem Lösungen, um das Leistungsbild der Planer aufgrund der Anforderungen der Vorfertigung im Rahmen der gültigen nationalen Honorar- und Vergabeordnung anzupassen. Sie prüften das Berufsbild des Schweizer Holzbauingenieurs als Lösungsansatz für die frühe Integration in den Planungsprozess und gaben entsprechende Empfehlungen für eine zielgerechte Ausbildung.

Aus Deutschland arbeiteten der Lehrstuhl von Prof. Hermann Kaufmann der Technischen Universität München (TUM) als Koordinator des gesamten Verbundes, das Augsburger Architekturbüro lattkearchitekten und das Binswanger Holzbauunternehmen Gumpp & Maier im Projekt mit. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse aus deutscher Sicht bietet die Broschüre „leanWOOD – Optimierte Planungsprozesse für Gebäude in vorgefertigter Holzbauweise“ der TUM.

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